Studie: Ganztagsangebote unterstützen vorwiegend die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern
Neue Forschungsbefunde zu Ganztagsschulen: Die Teilnahme am Ganztag kann die Motivation, das Sozialverhalten und ein positives Selbstbild von Schülerinnen und Schülern fördern, es konnte in den Studien aber keine Wirkung auf die Entwicklung ihrer fachlichen Kompetenzen nachgewiesen werden.
Der flächendeckende Ausbau von Ganztagsschulen war und ist eine der großen Reformen im deutschen Schulwesen. Mit ihm sind hohe Erwartungen verbunden, wie die Kultusministerkonferenz in ihrem aktuellen Bericht »Ganztagsschulen in Deutschland« erneut festhält. Demnach soll die Teilnahme an Ganztagsangeboten zur nachhaltigen Förderung von kognitiven und sozialen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler beitragen. Können diese Erwartungen erfüllt werden? Die langfristig angelegte Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) hat die Frage nach der Qualität und den Wirkungen von Ganztagsangeboten in den vergangenen vier Jahren in mehreren Forschungsarbeiten vertiefend untersucht und kommt zu einem differenzierten Ergebnis: Demnach können sich gute Ganztagsangebote positiv auf die sozialen Kompetenzen, die Motivation und das Selbstbild der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler auswirken. Unmittelbare Effekte auf die Entwicklung ihrer fachlichen Kompetenzen zeigten sich jedoch nicht.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfassten die Lesefähigkeit sowie im Grundschulbereich auch die naturwissenschaftliche Kompetenz der Schülerinnen und Schüler vor und nach der Teilnahme an entsprechend fachlich ausgerichteten Ganztagsangeboten. Dann verglichen sie die Entwicklung mit der von Mitschülerinnen und Mitschülern, die nicht an solchen Angeboten teilgenommen hatten. Ergebnis: Die Messungen konnten keine Wirkung der Teilnahme an fachlich ausgerichteten Ganztagsangeboten auf die Kompetenzentwicklung nachweisen, weder generell noch bei hoher Qualität der Angebote oder bei besonders intensiver Teilnahme.
Wie frühere Forschungsarbeiten von StEG bestätigten die neuen Untersuchungen jedoch, dass Ganztagsschulen einen wichtigen Beitrag zur psychosozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen leisten, indem sie das Sozialverhalten, die Motivation und ein positives Selbstbild fördern. Das setzt allerdings eine hohe pädagogische Qualität der Angebote voraus. Unter diesen Umständen können sich diese Effekte auch auf den Schulerfolg auswirken, weil sich in Schulnoten nicht nur einzelne kognitive Kompetenzen, sondern auch die Motivation oder das Engagement der Schülerinnen und Schüler spiegeln. Die Studien lieferten hierfür Anhaltspunkte: So erreichten zum Beispiel Schülerinnen und Schüler des Realschulbildungsganges am Ende ihrer Schullaufbahn bessere Noten, wenn sie für eine lange Zeit Ganztagsangebote im Allgemeinen oder verstärkt fachliche Angebote genutzt hatten.
Die neuen Befunde beruhen auf verschiedenen, inhaltlich verknüpften Teilstudien, die in den Jahren 2012 bis 2015 durchgeführt wurden. Sie nahmen die Qualität, Nutzung und Wirksamkeit von Ganztagsangeboten in den Blick und konzentrierten sich dabei vor allem auf die Bereiche »Leseförderung« und »soziales Lernen«. Dazu wurden Schülerinnen und Schüler zu verschiedenen Zeitpunkten in ihrer Schullaufbahn (Grundschule, 5. bis 7. Klasse, Ende der Sekundarschulzeit I) mit Fragebögen und Tests untersucht. Zudem wurden in einer der Teilstudien die Perspektiven der Schülerinnen und Schüler eingehender über Interviews und Gruppendiskussionen erfasst.
Die Ergebnisse der einzelnen Studien im Detail und ihre Gesamtbewertung sind in einer online verfügbaren Broschüre aufbereitet. Die Erläuterungen nehmen zudem Bezug auf die vor wenigen Wochen veröffentlichten Ergebnisse einer repräsentativen Schulleitungsbefragung zum Ganztagsschulausbau (siehe Link unten).
Hintergrund
Die Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Gemeinschaftsprojekt von vier Forschungseinrichtungen: dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF, Koordination der Studie), dem Deutschen Jugendinstitut (DJI), dem Institut für Schulentwicklungsforschung der Technischen Universität Dortmund (IFS) und der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Zentrale Verantwortung für die Studie, die seit dem Jahr 2005 durchgeführt wird, trägt ein Konsortium, das sich aus leitenden Wissenschaftlern der beteiligten Einrichtungen zusammensetzt.
StEG-Konsortium und Kontakt:
Professor Dr. Eckhard Klieme (DIPF, Sprecher des Konsortiums), +49 (0)69 24708-107, klieme@dipf.de
Professor Dr. Thomas Rauschenbach (DJI), + 49 (0)89 62306-280, rauschenbach@dji.de
Professor Dr. Heinz Günter Holtappels (IFS), +49 (0)231 755-5519, holtappels@ifs.tu-dortmund.de
Professor Dr. Ludwig Stecher (JLU), +49 (0)641 99-24071, Ludwig.Stecher@erziehung.uni-giessen.de
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