Promotionsrecht für Fachhochschulen und HAW in der Bundesrepublik
Aktuell haben acht Bundesländer gesetzliche Regelungen eingeführt, die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) das Recht zur Vergabe von Promotionen ermöglichen.
Nur rund ein Prozent aller Personen in Deutschland, die aktuell an einer Doktorarbeit schreiben, promovieren unter Beteiligung oder Federführung einer Fachhochschule bzw. Hochschule für angewandte Wissenschaften, kurz HAW. Mittlerweile haben aber immer mehr Bundesländer neue Regelungen geschaffen, die HAW ein eigenständiges Promotionsrecht ermöglichen, wie eine Übersicht des CHE Centrum für Hochschulentwicklung zeigt.
Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften, kurz HAW, werden bei Studierenden immer beliebter. Entschied sich 1980 noch rund ein Viertel der Studienanfänger*innen in Deutschland für eine HAW, war es 2022 knapp die Hälfte. Dies liegt u.a. an der zunehmend beliebten Kombination aus Praxisbezug und Wissenschaft. Aber auch die Themen Forschung und Transfer spielen an HAW eine immer größere Rolle.
Wer als HAW-Absolvent*in nach dem Abschluss eine Promotion anstrebte, kam lange Zeit an einem Wechsel zu einer Universität nicht vorbei. Mittlerweile haben einige Bundesländer jedoch auch Promotionsmodelle eingeführt, bei denen eine Kooperation zwischen Fachhochschulen/HAW und Universitäten nicht mehr zwingend erforderlich ist, wie ein aktueller CHECK des CHE zum Thema veranschaulicht.
Aktuell gibt es in Deutschland vier Szenarien:
- Eine Promotion von HAW-Absolvent*innen, die von der HAW an eine Universität wechseln.
- Eine kooperative Promotion, bei der HAW-Absolvent*innen an einer Universität promovieren, dort aber von Professor*innen aus beiden kooperierenden Hochschulen betreut und geprüft werden.
- Eine Promotion von HAW-Absolvent*innen in einem Promotionskolleg, also einem übergreifenden Verbund der staatlichen HAW eines Landes.
- Eine Promotion von HAW-Absolvent*innen an der eigenen Hochschule in einer Kooperation mehrerer HAW in Form eines fachlich oder thematisch ausgerichteten Promotionszentrums.
Mit Schleswig-Holstein, Bremen, Berlin, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern verfügen aktuell acht Länder über Gesetzesregelungen, die ein Promotionsrecht für HAW ermöglichen. Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein setzen auf das Promotionskolleg-Modell.
Ein praktiziertes eigenständiges selektives Promotionsrecht gibt es mittlerweile in Hessen und Sachsen-Anhalt. Rechtlich möglich ist es mittlerweile auch in Bayern, Berlin und Bremen, wird hier aber noch nicht angewendet.
»Kein Bundesland wird es sich dauerhaft leisten können, seinen Fachhochschulen bzw. HAW die eigenständige Betreuung einer Promotion zu verwehren, die Entwicklung ist nicht aufzuhalten«, prognostiziert Ulrich Müller. »Die bisherigen Kooperations-Optionen zwischen Universitäten und HAW bestehen zwar auf dem Papier und funktionieren im Einzelfall sicher auch hervorragend. Die Zahlen zeigen aber, dass es in der Realität schwerfällt, kooperationswillige Universitäts-Professor*innen zu finden. Um allen klassisch Promovierenden aus Berlin und Nordrhein-Westfalen Platz zu bieten, braucht man ein Stadion – für alle, die aus diesen beiden Ländern mit einer Uni-HAW-Kooperation promovieren, reicht ein Omnibus«, veranschaulicht der Leiter politische Analysen beim CHE Centrum für Hochschulentwicklung.
Von rund 200.000 Personen, die sich bundesweit 2021 in einer Promotionsphase an einer deutschen Universität befanden, promovierten laut Statistischem Bundesamt rund 2.400 unter Beteiligung oder Federführung einer Fachhochschule bzw. HAW.
Ein flächendeckendes pauschales Promotionsrecht für alle Hochschulen für angewandte Wissenschaften sei hingegen nicht erstrebenswert, so die Autor*innen des »CHECK – Promotionsrecht für Fachhochschulen und HAW in Deutschland«. Das bisherige in Varianten realisierte selektive Promotionsrecht auf der Ebene von forschungsstarken Fachbereichen oder hochschulübergreifenden Promotionskollegs oder –zentren sei der richtige Ansatz, da er mit klaren und hohen Qualitätsanforderungen verbunden sei und damit nicht nur für Qualitätssicherung, sondern auch für eine Akzeptanz der HAW-Promotionen sorge.
Wichtig sei in der jetzigen Konsolidierungsphase der neuen Modelle, sich als HAW weiter von den Universitäten zu emanzipieren. »Die Loslösung vom universitären in eigenständige HAW-Promotionsverfahren war der erste richtige und notwendige Schritt. Nun sollten die HAW nicht den Fehler begehen, die Universitäten 1:1 zu imitieren. Vielmehr sollten sie den Mut haben, die eigenen Stärken ihres Hochschultyps in ihre Doktorarbeiten einzubringen und Praxisbezug sowie Lösungsorientierung in den Vordergrund zu stellen«, so Müller.
Über die Publikation:
Der »CHECK Promotionsrecht für Fachhochschulen und HAW in Deutschland« bietet einen schnellen visuellen Überblick über die Modelle der Promotion für und mit HAW in den 16 Bundesländern. Grundlage ist u.a. eine Analyse der entsprechenden Landeshochschulgesetze sowie der Daten des Statistischen Bundesamtes. Autor*innen des CHECKs sind Ulrich Müller und Isabel Roessler. Sämtliche Grafiken der Publikation sind frei verfügbar im CHE Flickr-Kanal.
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