Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes erfordert dringend Weiterbildung des Personals
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung für Grundschulkinder: Bildungs- und sozialpolitische Potenziale
Im Herbst 2021 wurde nach langwierigen Diskussionen das Ganztagsförderungsgesetz (Ga-FöG) verabschiedet. Dieses Gesetz gewährt allen Kindern, die ab dem Jahr 2026 eingeschult werden, das Recht auf umfassende Ganztagsbetreuung.
Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg-Essen haben eine umfassende Analyse der aktuellen Angebote, ihrer Organisation und der Teilnahme an Ganztagsbetreuung in den deutschen Bundesländern durchgeführt und dabei erhebliche Herausforderungen identifiziert.
Die Förderung von Grundschulkindern über den normalen Schulunterricht hinaus, wie sie im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) vorgesehen ist, ist zwar keine Neuheit. Doch der individuelle Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz tritt erst 2026 in Kraft. Dieses Recht garantiert den Kindern eine Betreuung von mindestens acht Stunden an Werktagen, einschließlich des regulären Schulunterrichts. Die Umsetzung dieses Anspruchs variiert jedoch von Bundesland zu Bundesland. In Nordrhein-Westfalen konzentriert man sich aktuell besonders auf den Ausbau und die Modernisierung der Offenen Ganztagsschulen.
Die Analyse der von Stöbe-Blossey und ihrer Arbeitsgruppe erhobenen Daten legt beträchtliche Differenzen zwischen den Bundesländern offen. 2020 waren im westlichen Deutschland rund 47 % der Grundschulkinder in Ganztagsprogrammen, wobei Nordrhein-Westfalen diesen Durchschnitt nahezu spiegelte. Im Osten hingegen profitierten mit 84 % wesentlich mehr Schüler von der Ganztagsförderung.
Die Forschungsgruppe hat sich genauer mit zwei Bundesländern befasst, die hohe Teilnahmequoten aufweisen: In Sachsen besuchen fast 90 % der Kinder einen Hort, der oft direkt an der Schule angesiedelt ist. Darüber hinaus nehmen die meisten Kinder an schulischen Ganztagsangeboten teil. In Hamburg wurde bereits 2012 ein Rechtsanspruch auf eine Betreuung von 8:00 bis 16:00 Uhr im Schulgesetz verankert, und mittlerweile nutzen fast 95 % der Grundschulkinder die Ganztagsgrundschule.
»Das Hamburger Beispiel zeigt, dass mit dem Rechtsanspruch die Nachfrage steigt«, so Stöbe-Blossey. »Daher wird in Nordrhein-Westfalen – wie in den meisten westdeutschen Flächenländern – eine erhebliche Zahl neuer Ganztagsplätze geschaffen werden müssen.« Allen Prognosen zufolge wird sich damit der bereits jetzt spürbare Personalmangel in den kommenden Jahren noch verschärfen. Nach Berechnungen des Forschungsverbundes des Deutschen Jugendinstituts (DJI) könnte der zusätzliche Personalbedarf bis 2029 bei fast 40.000 Stellen liegen.
In Nordrhein-Westfalen stützen sich die Ganztagsangebote an Schulen hauptsächlich auf Teilzeitkräfte, wobei einige davon Minijobs haben. Neben qualifizierten Erziehern sind auch zahlreiche Angestellte ohne spezifische pädagogische Ausbildung in diesem Bereich tätig.
»Viele dieser Mitarbeiter*innen haben langjährige Erfahrungen gesammelt und werden auch in Zukunft dringend benötigt«, ist sich Stöbe-Blossey sicher. Sie fordert, die Ganztagsschule zu einem attraktiven Arbeitsplatz für alle Beschäftigten zu machen, damit das vorhandene Personal im Arbeitsfeld bleibt. Darüber hinaus müssen neue Mitarbeiter*innen – Fachkräfte wie Quereinsteigende – gewonnen werden, um den steigenden Bedarf zu decken.
»Die Zukunft liegt in multiprofessionellen Teams«, betont Stöbe-Blossey, »dafür werden verschiedene Weiterbildungsangebote gebraucht – von der Basisqualifikation bis zum anerkannten Berufsabschluss«. Außerdem müsse die Zusammenarbeit zwischen Ganztagspersonal und Lehrkräften genauer in den Blick genommen werden: »Nur durch gute Abstimmung der Angebote kann die Förderung aus einer Hand gestaltet werden und allen Kindern zu Gute kommen.«