Die neue gymnasiale Oberstufe in Schleswig-Holstein
Neugestaltung der Oberstufe in Schleswig-Holstein: Chancen und Herausforderungen
Im Schuljahr 2021/2022 hat Schleswig-Holstein eine neu gestaltete gymnasiale Oberstufe eingeführt. Ein zentrales Ziel dieser Reform war es, individuellere Schwerpunkte und innovative Lernformen zu ermöglichen. Dies sollte sowohl an Gymnasien als auch an Gemeinschaftsschulen umgesetzt werden.
Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der Reform erfolgten durch das DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Diese Untersuchung, die Befragungen von Schulleitungen und Lehrkräften umfasste, ergab, dass die Reform im Grundsatz positiv bewertet wird. Gleichzeitig äußerten die Beteiligten jedoch den Wunsch nach zusätzlicher Unterstützung aufgrund der zahlreichen Herausforderungen in der praktischen Umsetzung.
Kernaspekte der Reform
Ein wesentlicher Bestandteil der neuen Oberstufe ist die Niveaudifferenzierung in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und einer fortgeführten Fremdsprache. Hier können Schüler*innen zwei dieser Fächer mit fünf Wochenstunden und das dritte Fach mit drei Wochenstunden belegen.
Diese Differenzierung soll den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Interessen der Schüler*innen besser gerecht werden und eine Vergleichbarkeit mit anderen Bundesländern sicherstellen. Vor der Reform waren für alle drei Fächer einheitlich vier Wochenstunden vorgesehen.
Eine weitere Neuerung ist die Einführung von Profilseminaren. Diese ermöglichen den Schüler*innen, eigenständig und im Team fächerübergreifende Projekte durchzuführen. Diese Seminare sollen die Schüler*innen besser auf ein Studium vorbereiten, indem sie eigenverantwortliches Arbeiten fördern und praxisorientierte Themen bearbeiten.
Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung
Die wissenschaftliche Begleitung durch das DIPF umfasste eine Online-Befragung von 108 Schulleitungen und 234 Lehrkräften, vertiefende Interviews und die Auswertung schulstatistischer Daten.
Die Ergebnisse zeigen, dass über 90 Prozent der Schulleitungen die Niveaudifferenzierung als sinnvoll erachten. Sie sind der Ansicht, dass dieses Modell den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schüler*innen besser gerecht wird. Mehr als zwei Drittel der Lehrkräfte teilen diese Einschätzung und sehen eine Erleichterung im gezielten Unterrichten.
Auch die Einführung der Profilseminare wird von den meisten Schulleitungen positiv bewertet. Rund 90 Prozent empfinden diese als Bereicherung für das fächerübergreifende und projektbezogene Lernen.
Herausforderungen und Unterstützungsbedarf
Trotz der positiven Grundstimmung gibt es auch erhebliche Herausforderungen. Etwa die Hälfte der Schulleitungen und Lehrkräfte berichtet von einem erhöhten schulorganisatorischen Aufwand aufgrund der Niveaudifferenzierung. Dies betrifft insbesondere die Gestaltung der Stundenpläne, die Kurseinteilung und die Personalplanung.
Darüber hinaus wünschen sich viele Lehrkräfte mehr Vorgaben und Unterstützung bei den Leistungsanforderungen und Bewertungsmaßstäben der unterschiedlichen Niveaustufen.
Ein weiteres zentrales Ergebnis der NEOS-Studie zeigt, dass viele Lehrkräfte die hohen Anforderungen und die Komplexität der Reform als belastend empfinden. Ein Großteil der Schulleitungen und Lehrkräfte sieht die Notwendigkeit zusätzlicher Ressourcen und Fortbildungsangebote, um die Reform erfolgreich umsetzen zu können.
Geschlechterunterschiede und weitere Befunde
Die NEOS-Studie hebt auch geschlechtsbezogene Unterschiede hervor. In Deutsch werden die Fünf-Stunden-Kurse häufiger von Mädchen, in Mathematik häufiger von Jungen besucht. Diese Unterschiede könnten langfristige Auswirkungen auf Studien- und Berufswahl haben und sollten weiter beobachtet werden .
Die allgemeine Zufriedenheit mit der Reform ist hoch, jedoch wird deutlich, dass die strukturellen Neuerungen allein nicht ausreichen. Es bedarf einer kontinuierlichen inhaltlichen und pädagogischen Weiterentwicklung, um die gesetzten Ziele zu erreichen.
Zusammenfassung
Die Reform der gymnasialen Oberstufe in Schleswig-Holstein wird im Grundsatz positiv bewertet und bietet eine gute Basis für die weitere Umsetzung. Dennoch sind die Herausforderungen erheblich und erfordern zusätzliche Unterstützung.
Weitere Untersuchungen und ein fortlaufender Dialog mit den beteiligten Akteuren sind notwendig, um die Reform erfolgreich weiterzuentwickeln und zu optimieren.