Reform des WissZeitVG: Sachverständige fordern stabile Arbeitsbedingungen
Wissenschaft ohne Dauerstellen? Ausschuss diskutiert prekäre Beschäftigung und Befristungen
In einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwoch sprachen sich Experten geschlossen für eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) aus.
Sie betonten die Notwendigkeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und kurzfristige Befristungen in der Wissenschaft zu reduzieren. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Befristungsrechts in der Wissenschaft wurde als unzureichend bewertet und weist laut den Sachverständigen weiterhin erhebliche Schwächen auf.
Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
Der Gesetzentwurf sieht Maßnahmen wie die Einführung von Mindestvertragslaufzeiten, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie langfristige Sicherungen für den Wissenschaftsstandort Deutschland vor. Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Ausschusses, betonte die Bedeutung attraktiver Arbeitsbedingungen für ein innovatives Wissenschaftssystem, das talentierte Forscher*innen anzieht.
Die Grundlage für die Reform bildet eine Evaluation des WissZeitVG aus dem Jahr 2022, die aufzeigt, dass wissenschaftliches Personal häufig unter kurzen Vertragslaufzeiten und langfristigen Befristungen leidet. Ein Antrag der Fraktion Die Linke, der einen »Paradigmenwechsel« fordert, war ebenfalls Teil der Diskussion.
Die Positionen im Einzelnen
Sonja Bolenius vom Deutschen Gewerkschaftsbund, die auf Vorschlag der SPD-Fraktion eingeladen war, unterstrich: »Im europäischen und im deutschen Arbeitsrecht ist die unbefristete Beschäftigung der Regelfall.« Angesichts der Vielzahl befristeter Stellen in der Wissenschaft würde diese Norm jedoch oft übersehen. Die Erwartungen an die Novellierung des WissZeitVG seien »riesengroß«, und das Engagement für bessere Arbeitsbedingungen habe ein nie zuvor gesehenes Niveau erreicht. Innovationen in der Wissenschaft seien nur mit einer stabilen Arbeitskultur möglich, nicht aber mit befristeten Verträgen. Bolenius warnte vor der »begrenzten Öffnung für kleinteilige tarifrechtliche Regelungen«, die nur zusätzliche Rechtsunsicherheiten schaffen würden und forderte »Dauerstellen für Daueraufgaben«.
Patrick Cramer von der Max-Planck-Gesellschaft, der auf Vorschlag der FDP-Fraktion eingeladen wurde, verwies auf die Vorteile des Gesetzentwurfs, wie die Einführung von Mindestvertragslaufzeiten, die die Planungssicherheit erhöhen. Dennoch kritisierte er, dass Missbrauch durch Kettenverträge oder die Drittmittelfinanzierung weiterhin nicht adressiert würden. Ihm seien sowohl Perspektivenverbesserung für Wissenschaftler als auch die Leistungsfähigkeit der Wissenschaftseinrichtungen wichtig. Cramer plädierte für weniger Bürokratie und eine bessere Durchlässigkeit der Systeme, um Wissenschaftler auch internationale Karrieren zu ermöglichen.
Walter Rosenthal von der Hochschulrektorenkonferenz, auf Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen eingeladen, betonte, dass spätestens nach der Qualifizierungszeit klare Karrierewege geschaffen werden müssten, sei es durch Juniorprofessuren, unbefristete Stellen neben der Professur oder außerhalb der Wissenschaft. Rosenthal erläuterte, dass es sich bei der Promotionsphase und der anschließenden Postdoc-Phase innerhalb des Qualifizierungszeitraums um hoch kompetitive und wissenschaftsbezogene Phasen handelt, in denen jeweils angemessene Vertragslaufzeiten erforderlich seien. Er warnte davor, dass die Tariföffnung zu einer Zersplitterung des Wissenschaftssystems führen könnte, da unterschiedliche Tarifparteien im Wissenschaftsbereich vertreten seien.
Wolfgang Wick vom Wissenschaftsrat, der überfraktionell zur Anhörung eingeladen war, wies auf das Risiko hin, dass Höchstbefristungsgrenzen den Leistungsdruck auf Post-Docs weiter erhöhen könnten. Eine höhere Zahl unbefristeter Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter, die nicht den Weg zur Professur anstreben, könne dagegen eine wertvolle Alternative bieten. »Damit entstünden mehr Karriereziele für Promovierte, die das Berufsziel Professur nicht anstreben oder nicht erreichen«, so der Sachverständige. Das WissZeitVG solle zudem die Vielfalt der Karrierewege in der Wissenschaft berücksichtigen, sagte Wick und forderte unbefristete Stellen für Personal, das Daueraufgaben in der Forschung und Lehre übernimmt.
Jan Wöpking von der German U15 e.V., eingeladen auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion, begrüßte die Zielsetzung des Gesetzentwurfs zur Verbesserung der Karrierewege. Die Einführung einer Erstmindestvertragslaufzeit von drei Jahren in der Promotionsphase sei ein Schritt in die richtige Richtung. Auch die geplante Integration einer pflegepolitischen Komponente sei eine wertvolle Ergänzung. Kritisch sehe er jedoch die Tariföffnung und die Höchstbefristungsdauer in der Post-Doc-Phase. Er betonte, dass Deutschland nach den USA weiterhin das zweitattraktivste Gastland weltweit für Forschende sei, ein Potenzial, das es für die Gewinnung von Fachkräften zu nutzen gelte.
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