Akademischer Umbruch: Was der Generationenwechsel für die Zukunft der deutschen Hochschulen bedeutet
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Bis 2033 werden über 40 Prozent der Professuren neu besetzt
Die deutschen Hochschulen stehen vor einem tiefgreifenden personellen Umbruch. Nach aktuellen Berechnungen des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) werden in den kommenden zehn Jahren mehr als 40 Prozent der Professor*innen in den Ruhestand gehen.
Grund ist der demografische Wandel: Die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre erreichen ab 2029 zunehmend das Rentenalter. Jährlich werden dann mindestens 2.000 Hochschullehrende aus dem aktiven Dienst ausscheiden. Davon sind einzelne Fächergruppen und Hochschultypen besonders betroffen, was den Reformbedarf im Hochschulsystem weiter erhöht.
Strukturwandel im Hochschulsystem
Laut Daten des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2023 insgesamt 43.078 Professor*innen unter 65 Jahren dauerhaft an deutschen Hochschulen beschäftigt. Bis 2033 werden voraussichtlich 44 Prozent von ihnen die Altersgrenze von 65 Jahren erreichen.
Damit steht eine der größten personellen Erneuerungswellen in der Geschichte des deutschen Hochschulsystems an.
Der Generationenwechsel stellt Hochschulen und Politik vor Herausforderungen. Der demografische Wandel müsse strategisch genutzt werden, so Frank Ziegele, Geschäftsführer des CHE.
Der personelle Umbruch erfordere durchdachte Ausschreibungs- und Auswahlverfahren. Hochschulen dürften nicht in Versuchung geraten, diesen Wandel als Sparmaßnahme zu nutzen. Vielmehr sei eine gezielte Nachfolgestrategie notwendig, um wissenschaftliche Qualität und Innovationskraft zu sichern.
Unterschiede nach Hochschultypen und Fächergruppen
Die Altersstruktur der Professorenschaft variiert stark zwischen den Hochschultypen und Fächergruppen. Besonders hoch ist der Anteil der altersbedingt ausscheidenden Lehrenden an den Pädagogischen Hochschulen, wo bis 2033 rund 55 Prozent der Professor*innen das Rentenalter erreichen werden.
Vergleichsweise jung bleibt die Altersstruktur dagegen an den privaten Fachhochschulen, wo in den nächsten zehn Jahren nur 34 Prozent des derzeitigen Lehrpersonals in den Ruhestand gehen.
Auch die Kunst- und Musikhochschulen stehen vor erheblichen personellen Veränderungen. Insbesondere die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft sowie die Hochschule für Künste Bremen weisen hohe Anteile an Professor*innen auf, die bis 2033 altersbedingt ausscheiden werden.
In einzelnen Fächern wie Kunst und Medien, Geschichte, Zahnmedizin oder Architektur ist ein deutlicher Generationswechsel zu erwarten. Insbesondere in der Evangelischen Theologie werden in den nächsten zehn Jahren mehr als 60 Prozent der derzeitigen Professorenschaft in den Ruhestand gehen.
Chancen für Nachwuchswissenschaftler*innen
Der bevorstehende Umbruch könne langfristig positive Effekte für junge Wissenschaftler*innen mit sich bringen. Marc Hüsch, Leiter des CHE-Datenportals hochschuldaten.de, erklärte, dass sich durch die hohe Zahl an Neuberufungen neue Karrierechancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs ergäben. Gleichzeitig biete sich den Hochschulen die Chance, strategische Entwicklungen voranzutreiben und ihr Profil zu schärfen.
Um die Chancen des Generationenwechsels nutzen zu können, bedürfe es jedoch klarer hochschulpolitischer Weichenstellungen. Ein langfristig angelegtes Personalentwicklungskonzept könne dazu beitragen, die Kontinuität in Lehre und Forschung zu sichern und gleichzeitig den Hochschulen mehr Flexibilität für innovative Lehr- und Forschungsansätze zu ermöglichen.
Hintergrund
Der DatenCHECK 2/2025: Demographische Entwicklung bei Professor*innen in Deutschland bietet eine Übersicht, wie viele Hochschullehrende in den kommenden zehn Jahren voraussichtlich in den Ruhestand gehen. Grundlage der Analyse sind Daten des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2023. Ermittelt wurden die jeweiligen Anteile der Professor*innen, die bis zum Jahr 2033 voraussichtlich 65 Jahre alt sein werden. Interaktive Grafiken und Tabellen verdeutlichen die Unterschiede der Altersstrukturen für einzelne Hochschulen, Bundesländer, Hochschultypen, Trägerschaft, Fächergruppen und Lehr- und Forschungsbereiche. Autor des DatenCHECKs auf dem CHE Datenportal hochschuldaten.de ist Marc Hüsch, Senior Expert für Statistik und Datenvisualisierung beim CHE Centrum für Hochschulentwicklung.
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