Pauschale Anrechnung beruflicher Kompetenzen an Hochschulen: Stand und Herausforderungen

Viel ungenutztes Potenzial bei der pauschalen Anrechnung beruflicher Kompetenzen
Die Möglichkeit, beruflich erworbene Kompetenzen auf ein Hochschulstudium anzurechnen, existiert in Deutschland seit rund 20 Jahren. Dennoch wird diese Option von vielen Hochschulen nur zögerlich genutzt.
Eine aktuelle Studie im Auftrag des Projekts »MODUS« der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) untersuchte nun die Praxis der pauschalen Anrechnung und identifiziert sowohl Erfolgsfaktoren als auch Herausforderungen.
Was ist eine »pauschale Anrechnung«?
Im Gegensatz zur individuellen Anrechnung, bei der Studierende Nachweise über ihre außerhochschulischen Qualifikationen vorlegen müssen, basiert die pauschale Anrechnung auf einer einmaligen Äquivalenzprüfung eines Berufs- oder Fortbildungsabschlusses. Dieses Verfahren reduziert den Verwaltungsaufwand erheblich und schafft Transparenz für Studieninteressierte.
Verbreitung und Nutzung an deutschen Hochschulen
Obwohl die Kultusministerkonferenz (KMK) die Möglichkeit der Anrechnung bereits vor zwei Jahrzehnten geschaffen hat, wenden derzeit nur 43 der insgesamt 428 Hochschulen in Deutschland pauschale Anrechnungsverfahren an.
Besonders aktiv sind Hochschulen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Auffällig ist zudem, dass vor allem private Hochschulen das Instrument gezielt nutzen, um berufserfahrene Studieninteressierte zu gewinnen.
Fachliche Schwerpunkte der Anrechnung
Am häufigsten finden pauschale Anrechnungen in den Fächergruppen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Ingenieurwissenschaften sowie Gesundheitswissenschaften statt.
Besonders verbreitet sind diese Verfahren in Studiengängen der Wirtschaftswissenschaften, des Sozialwesens und der Informatik. Ein Großteil der Hochschulen implementiert pauschale Anrechnungsverfahren ohne externe Kooperationspartner.
Empirische Erkenntnisse und Fallstudien
Die Studie analysiert erstmals umfassend die Praxis pauschaler Anrechnungen anhand von neun Fallstudien. Sie betrachtet sowohl Hochschulen mit Kooperationen (z.B. Hochschule Aalen, TU Clausthal) als auch solche ohne externe Partner (z.B. FOM Hochschule, Universität Vechta).
Darüber hinaus wurden hybride Modelle untersucht, wie sie an der Technischen Hochschule Brandenburg, der Hochschule Bremen oder der Leuphana Universität Lüneburg zu finden sind.
Unterschiedliche Strategien bei staatlichen und privaten Hochschulen
Die Untersuchung zeigt, dass insbesondere private Hochschulen die pauschale Anrechnung intensiv nutzen.
Ein Beispiel ist die FOM Hochschule, die seit 2007 Erfahrungen mit diesem Verfahren sammelt und mittlerweile rund 300 verschiedene Berufs- und Weiterbildungsabschlüsse anerkennt. Allein im Studienjahr 2023/24 wurden dort etwa 10.000 Anrechnungsanträge gestellt, von denen 70 Prozent auf pauschale Verfahren entfielen.
Vorteile und Herausforderungen
Die pauschale Anrechnung bietet klare Vorteile:
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Reduktion des Verwaltungsaufwands durch eine einmalige Äquivalenzprüfung
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Erhöhte Transparenz für Studieninteressierte
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Verkürzung der Studiendauer für Anrechnungsempfänger
Dennoch sind Hindernisse vorhanden. Lehrende äußern mitunter Vorbehalte gegenüber der Qualität beruflicher Abschlüsse. Zudem mangelt es an Transparenz und interner Kommunikation innerhalb der Hochschulen über die Verfahren und ihre Potenziale.
Handlungsempfehlungen und Praxisleitfaden
Die Autorinnen schlagen konkrete Maßnahmen zur breiteren Implementierung pauschaler Anrechnungsverfahren vor. Dazu gehört die strategische Verankerung innerhalb der Hochschulen, die Optimierung der Äquivalenzprüfung sowie die Förderung von Kooperationen mit externen Bildungsanbietern.
Ein eigens entwickelter Praxisleitfaden mit Checklisten soll Hochschulen dabei unterstützen, diese Verfahren systematisch einzuführen und weiterzuentwickeln.
Fazit
Die pauschale Anrechnung beruflicher Kompetenzen bietet ein erhebliches Potenzial zur Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung.
Um dieses Potenzial besser zu nutzen, sollten Hochschulen die Verfahren strategisch ausbauen und eine klarere interne Kommunikation sowie stärkere Transparenz schaffen. Eine konsequentere Nutzung dieser Instrumente könnte dazu beitragen, das Hochschulsystem für Berufserfahrene attraktiver zu gestalten und die Anerkennung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen zu stärken.
HintergrundDie Studie »Entwicklung, Wirkungsweisen und Potenziale pauschaler Anrechnungsverfahren. Empirische Analyse und Praxisempfehlungen« entstand im Auftrag des Projekts MODUS der Hochschulrektorenkonferenz. Sie liefert evidenzbasierte Erkenntnisse zum Mehrwert pauschaler Anrechnungsverfahren beruflicher Kompetenzen für Hochschulen und Kooperationspartner*innen insbesondere mit Blick auf die fördernde Wirkung der Durchlässigkeit. Die Eregbnisse werden am 11. März im Rahmen der Abschlusstagung des Projekts MODUS »Hochschulen im Wandel: Bildungswege zwischen Flexibilisierung und bewährter Struktur« von den beiden Autorinnen Sigrun Nickel und Anna-Lena Thiele vorgestellt.
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