Wachstumsprognose für Berufsschulen bis 2030: 2,53 Millionen Schüler brauchen 156.500 Lehrkräfte
Die demografische Entwicklung, höhere Schulabschlüsse und die hohe Zuwanderung der letzten Jahre führen dazu, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den berufsbildenden Schulen ab Anfang der 2020er Jahre wieder ansteigt und mehr Lehrkräfte erforderlich machen wird.
Dies ist das Ergebnis einer Prognose zur Entwicklung des berufsbildenden Schulbereichs, die das FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie vorgelegt hat. Auftraggeber der Studie, die auch von der Max-Traeger-Stiftung gefördert wird, ist die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Die Kombination von steigenden Geburtenzahlen, einem höheren Niveau bei den Schulabschlüssen und verstärkter Zuwanderung in den letzten Jahren führt zu einer höheren Nachfrage nach beruflicher Bildung, wie die heute veröffentlichte Prognose des FiBS Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie zeigt. Allerdings verläuft die Entwicklung in den Teilzeit-Berufsschulen des dualen Systems und den qualifizierenden (vollzeit-) schulischen Berufsschulen sowie im sog. Übergangssystem sehr unterschiedlich.
Die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen sinkt zwar zunächst noch leicht von 2,51 Mio. (2016) auf 2,47 (2022/23). Anschließend zeichnet sich aber ein Anstieg auf 2,53 Mio. bis zum Jahr 2030 ab.
In den drei Teilbereichen des Berufsbildungssystems zeigen sich unterschiedliche Tendenzen: Mit der im vergangenen Jahr erstmals wieder gestiegenen Zahl der Neuverträge in der dualen Ausbildung zeichnet sich vermutlich eine Trendwende ab: Da die Auszubildenden die Teilzeit-Berufsschulen des Dualen Systems besuchen, steigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den von 1,40 Mio. im Jahr 2016 langsam auf 1,47 Mio. im Jahr 2030 an. Die zunehmenden Schülerzahlen der vergangenen Jahre an den qualifizierenden Berufsschulen verstetigen sich; es kommt hier zu einem weiteren Anstieg von knapp 550.000 (2016) auf 605.000 (2030).
Die Zahl der Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben oder als nicht ausbildungsreif angesehen werden, und in das sog. Übergangssystem einmünden, hat sich in den vergangenen Jahren wieder erheblich erhöht. Die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler in diesem Teilbereich stieg von 500.000 (2014) auf 545.000 (2016) an. Hierbei dürfte es sich allerdings um eine temporäre Entwicklung handeln. Die Prognose geht davon aus, dass die Zahlen in den kommenden Jahren sukzessive wieder sinken werden, wie dies auch bereits im letzten Jahrzehnt der Fall war. Im Jahr 2030 dürften sich noch 460.000 junge Menschen in diesem Teil des berufsbildenden Schulsystems befinden. Dieser Rückgang der Schülerzahlen im sog. Übergangssystem beeinflusst den kurzfristigen Trend des Gesamtsystems.
Die Relevanz der Berechnungen des FiBS wird sichtbar, wenn man die Gesamtzahlen mit der Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK) aus dem Jahr 2013 vergleicht: Laut KMK-Prognose sollten die Schülerzahlen an berufsbildenden Schulen bis zum Jahr 2025 auf 2,15 Mio. zurückgehen. Demgegenüber ermittelt das FiBS für diesen Zeitpunkt schon eine Zahl von 2,48 Mio. Schüler/innen, d.h. es werden hiernach ca. 337.000 Schülerinnen und Schüler mehr erwartet.
Dies hat Konsequenzen für den Bedarf an Lehrkräften, die nach den Berechnungen des FiBS entsprechend höher ausfallen als sich aus der KMK-Schülerprognose ergeben würde. Geht man von identischen Schüler/innen-Lehrkräfte-Relationen aus, dann ergäbe sich nach der KMK-Schülerprognose 2025 ein Lehrkräftebedarf von insgesamt 129.000 Lehrkräfte, während es nach der FiBS-Prognose 151.000 Lehrkräfte sein werden. Damit kommen die neuen Berechnungen für 2025 zu einem Mehrbedarf von 22.000 Lehrerinnen und Lehrern. Dies sind zwar etwas weniger als die knapp 154.000, die 2016 beschäftigt waren, aber der Unterschied ist deutlich geringer als bisher erwartet. Bis zum Jahr 2030 wird sich der Lehrkräftebedarf dann laut FiBS auf fast 156.500 erhöhen, d.h. es werden bundesweit 2.500 Lehrkräfte mehr benötigt als 2016.
Da sich die Schüler/innen-Lehrkräfte-Relation im Übergangssystem in den letzten Jahren aber teilweise deutlich verschlechtert hat und 2016 im Durchschnitt bei 14,0 lag, würde sich der Lehrkräftebedarf im Jahr 2030 sogar auf fast 158.500 (+4.500) erhöhen, wenn man diesen Trend rückgängig machen will und mit einem Verhältnis von 13,4 Schüler/innen je Lehrkraft den Stand von 2014 als Grundlage nimmt.
»Wurde lange Zeit davon ausgegangen, dass die jüngeren Altersgruppen immer kleiner werden, daher weniger Schülerinnen und Schüler in den Schulen sind und der Lehrkräftebedarf sinkt, so ist dies nicht länger richtig«, fasst Dr. Dieter Dohmen die Studie zusammen und ergänzt: »Stattdessen zeichnet sich in allen Bereichen des Bildungswesens, von den Kitas über die Schulen bis zur Hochschule und in die Weiterbildung hinein eine Trendwende ab. Es werden überall mehr Erzieher/innen und Lehrkräfte benötigt. Im Arbeitsfeld Bildung und Erziehung bieten sich damit sehr gute Jobchancen. Allerdings ist die Politik im Wettbewerb um Fachkräfte auch gefordert, attraktive Angebote für eine gute Bewerberlage bei jungen Menschen, aber auch qualifizierten Quereinsteigern zu schaffen. Nur dann werden sich auch genügend qualifizierte Interessierte finden, die diese herausfordernden Jobs auch annehmen wollen. Hierzu gehören neben einem wettbewerbsfähigen Gehalt auch gute Arbeitsbedingungen«.
Hintergrund
Das FiBS ist eine private, interdisziplinäre Forschungs- und Beratungseinrichtung sowie ein führender Think Tank zum Thema Bildungsfinanzierung in Deutschland und Europa.
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