Der Begriff der »Belegschaft« wird neu gedacht
Führungskräfte fassen ihre Belegschaft heute zunehmend weiter und betrachten einen großen Kreis externer Arbeitskräfte als Teil davon: Dienstleister, freiberufliche App-Entwickler, Gigworker und sogar Bots. Gleichzeitig sind personalbezogene Praktiken, Systeme und Prozesse noch primär auf die Festangestellten ausgelegt.
Diese Diskrepanz wird zu einer wachsenden Herausforderung für Strategie, Führung, Organisationskultur und Personalmanagement führen. Gefragt ist ein integrierter Ansatz, um diese heterogene Gruppe von internen und externen Mitarbeitenden als Ecosystem gleichermaßen erfolgreich zu managen. Dies zeigen die Ergebnisse der aktuellen Deloitte-Studie »Workforce Ecosystems«.
Externe Arbeitskräfte erledigen mehr und auch wichtigere Arbeit
Laut Studie definieren 75 Prozent der weltweit befragten Unternehmen ihre Belegschaft breiter als nur Voll- und Teilzeitkräfte – eine Struktur aus internen und externen Akteuren, die darauf ausgelegt ist, im Zusammenspiel Werte für eine Organisation zu schaffen. Ein System, das die Studienautoren als Workforce Ecosystems bezeichnen und aus sogenannten Komplementaritäten und Interdependenzen besteht. Ersteres steht für die Mitarbeitenden oder Organisationen, die unabhängig voneinander arbeiten, aber gemeinsamen Kunden Mehrwert bieten. Bei Interdependenzen sind Mitglieder des Ecosystems für ihren gemeinsamen Erfolg (oder Misserfolg) aufeinander angewiesen; sie gewinnen oder verlieren gemeinsam.
Ein Drittel der Umfrageteilnehmer erwartet, dass sie in den nächsten 18 bis 24 Monaten verstärkt auf externe Mitarbeitende zurückgreifen werden. »Unternehmen arbeiten zunehmend in Netzwerken, in denen Experten aus unterschiedlichen Einheiten sich zu leistungsfähigen Teams zusammenfinden – und das über die Grenzen von Unternehmen hinweg«, sagt Maren Hauptmann, Leiterin des Bereichs Organization Transformation & Talent bei Deloitte. »Es gehört zu den größten Herausforderungen der Führung, solche Workforce Ecosystems richtig zu steuern. Denn: In ihnen entsteht oft geschäftskritischer Mehrwert. Jedoch nur dann, wenn Führungskräfte über die notwendige Erfahrung verfügen.«
Chancen und neue Ansätze für projektbasierte Arbeit
Die Studie zeigt, dass mehr als die Hälfte der Organisationen (52 Prozent) planen, Online-Plattformen zur Gewinnung externer Talente zu nutzen. Jedoch bereiten sich nur 28 Prozent der Befragten ausreichend darauf vor, eine Belegschaft zu managen, die stärker auf Externe angewiesen sein wird. Diese übernehmen künftig vielfältigere und anspruchsvollere Aufgaben, werden für die Kernaufgabe einer Organisation oft unerlässlich sein. »Wenn wir auf ein Unternehmen und seine Ecosystems blicken, erkennen wir eine deutlich größere Zahl von Mitarbeitenden als in der herkömmlichen Sicht«, so Hauptmann. »Dabei entstehen im Ecosystem wichtige Innovationen, kreative Leistungen und sogar erfolgskritische Ergebnisse. Wir müssen alle HR- und Steuerungssysteme daraufhin neu ausrichten.«
Workforce Ecosystems inspirieren zu neuen strategischen Ansätzen und erfordern neue Führungspraktiken. Sie zeigen auf, wie Führungskräfte eine gerechte und inklusive Arbeitsumgebung – über interne und externe Grenzen hinweg – fördern können. Nur ein enges Zusammenspiel unterschiedlicher Unternehmensbereiche wie Personal, Recht, Finanzen und IT gewährleistet einen reibungslosen Ablauf in diesen offeneren und flexibleren Strukturen.
Neun von zehn Führungskräften (91 Prozent) sind sich einig darüber, dass die bevorstehenden Veränderungen in der Geschäftsstrategie ihres Unternehmens einen besseren Zugang zu neuen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen erfordern. Die Berücksichtigung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion kann zu mehr Innovation, Wertschöpfung und bedeutenderen Möglichkeiten für Fairness und Repräsentation führen. Gleichzeitig erfordert der Übergang zu einem solchen Ecosystem-Ansatz eine Veränderung der Praktiken, einschließlich Anpassungen der zugrundeliegenden Philosophien, Systeme und Prozesse.
Paradigmenwechsel für die Personalarbeit
»Der Blick auf die Ecosystems bedeutet einen Paradigmenwechsel für die Personalarbeit«, fasst Hauptmann zusammen. »Traditionell werden nur Mitarbeiter betreut, die auch im Stammdatensystem hinterlegt sind. In der neuen Betrachtungsweise müssen wir die Mitarbeiterentwicklung, die Bindung an den Arbeitgeber sowie eine intelligente Förderung von gemeinsamer Kultur und Leistungsverständnis in das gesamte Ecosystem hineintragen. Das gilt umso mehr für die Karriereentwicklung, die einen dynamischen Wechsel im Ecosystem und damit über Unternehmensgrenzen hinweg ermöglichen muss.«
Neben internen Herausforderungen stellen auch arbeitsrechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen komplexe Hürden dar: Diese reichen von geografischen, rechtlichen und datenschutzrechtlichen Einschränkungen, die die gemeinsame Nutzung bestimmter Datentypen verbieten, über Fragen nach Schutz von Marke und geistigem Eigentum bis hin zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit wie Lohngleichheit und Parität. Eine überwiegend intern ausgerichtete Unternehmenskultur und organisatorisches Silodenken wirken ebenso hinderlich wie ein mangelndes ganzheitliches Organisieren der externen Belegschaft – zum Beispiel hinsichtlich ihrer Anforderungen an Karriere, Lernen und Einkommen.
Hintergrund
Im Rahmen der Studie »Workforce Ecosystems« befragte das Beratungsunternehmen Deloitte in Zusammenarbeit mit dem MIT Sloan Management Review rund 5.200 Manger und Führungskräfte aus 114 Ländern, wie sie die Fragen des strategischen Workforce-Managements angehen. Die Befragten repräsentieren Organisationen unterschiedlicher Größe aus mehr als 29 Branchen. Der Bericht definiert Workforce Ecosystems, reflektiert ihr Entstehen sowie ihre Vorteile und Herausforderungen und identifiziert notwendige Entwicklungen und Veränderungen für deren Management.
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