Kündigung? Kein Problem!
Ein Beitrag aus unserer »Standpunkte«-Reihe von Rhett Büttrich .
Karriere-Resilienz durch Weiterbildung
In diesem Jahr haben Unternehmen wie Gorillas, Klarna & Co. tausende Mitarbeiter:innen entlassen. Inflation, höhere Zinsen und geopolitische Spannungen haben deutliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Für eine spontane Neuausrichtung fehlt meistens die Zeit, die Unsicherheiten sind groß. Arbeitnehmer:innen fragen sich: Wie kann ich mich schützen? Die oben genannten Faktoren lassen sich kaum beeinflussen - und das ist auch gar nicht unbedingt notwendig. Wechselnde Jobs gehören fest zum modernen Berufsleben dazu. Was wir brauchen, sind ein neues Mindset und der Aufbau von Karriere-Resilienz durch die Bereitschaft, jederzeit mehr oder Neues zu erlernen. Die richtigen Weiterbildungsangebote dafür gibt es zuhauf. Wenn dann ein überraschender Jobwechsel zum Thema wird, fällt der Umstieg deutlich leichter.
Der Arbeitsmarkt der letzten Jahre hat sich massiv verändert
Noch vor einigen Jahrzehnten sah das Arbeitsleben ganz anders aus als heute: Die meisten Menschen entschieden sich im Alter zwischen 16 und 18 Jahren für eine Ausbildung oder ein Studium. Nach dem Abschluss war die Chance auf Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb recht hoch, ansonsten folgte die Jobsuche. Im Zielbetrieb angekommen, gab es die Möglichkeit, sich vom Einsteiger weiterzuentwickeln und hochzuarbeiten. Viele blieben gern und lange im Unternehmen. Unternehmenstreue wurde durch internen Aufstieg, neue Gehaltsstufen, betriebliche Angebote zur Altersvorsorge und klare Möglichkeiten zur Weiterentwicklung belohnt.
Auch im Jahr 2022 gibt es solche Karrieren nach wie vor und die Betriebszugehörigkeitsdauer, also die zusammenhängenden Arbeitsjahre im Betrieb, ist im Durchschnitt auch heute nicht dramatisch niedrig. Allerdings werden die Menschen auch älter und arbeiten im Schnitt länger - die Situation ist also nur bedingt mit früheren Verhältnissen vergleichbar.
Interessant wird es, wenn man sich das untere Ende der Skala zur Dauer der Betriebszugehörigkeit ansieht: Über ein Drittel der Arbeitnehmer gaben allein 2019 an, fünf Jahre oder kürzer bei ihrem vergangenen Arbeitgeber geblieben zu sein (Quelle: destatis). Geht man von circa vierzig Jahren aus, die ein Mensch in seinem Leben arbeitet, kommt man im Durchschnitt auf immerhin acht unterschiedliche Arbeitgeber.
Befristete Verträge und unsichere Wirtschaftslagen machen es unumgänglich, dass mindestens ein Wechsel des Arbeitgebers oder sogar der Branche zum realistischen Szenario wird. Und das ist gar nicht schlimm.
Auf das Mindset kommt es an
Loyalität mit dem Arbeitgebenden und eine gewisse Identifikation mit dem eigenen Unternehmen sind eine gute Sache. In der heutigen Welt lohnt es sich jedoch zunehmend, die Perspektive zu wechseln. Steht die eigene Mission und Vision im Vordergrund, werden wir flexibler in der Frage, mit wem und in welcher Art Job wir diese erreichen wollen. Vor allen Dingen ist es aber wichtig, den Kopf aktiv zu halten: Lernen ist ein lebenslanger Prozess und hört mit dem Eintritt ins Arbeitsleben nicht auf. Mit diesem Fundament kann man mit der Stärkung der eigenen Resilienz vor unvorhersehbaren Karriere-Ereignissen beginnen. Die folgenden Tipps helfen beim Start:
1. Wahl von Berufsfeldern statt konkreter Berufe
Viele Ausbildungsberufe von früher gibt es heute so nicht mehr, heutige Ausbildungsberufe könnten in einigen Jahren ebenso nicht mehr existieren. Viel nachhaltiger ist ein Fokus auf ein bestimmtes Interessengebiet, in das man hinein- und später mitwachsen kann. Definiert man zum Beispiel Programmieren als Ziel, kann später leichter zwischen Webentwicklung, Data Science oder App-Coding gewechselt werden - je nachdem, was gerade gesucht wird und welche neuen Chancen sich ergeben.
2. Eine Mission definieren
Ein konkretes Ziel hinter dem persönlichen beruflichen Streben und Wirken ist ein sinnvoller Rahmen, um kurzfristigen, aber wenig nachhaltigen Entscheidungen und Druck von außen vorzubeugen. Das reicht von größeren Missionen wie »Ich möchte Weiterbildung zum Teil unserer gesellschaftlichen Arbeitskultur machen« bis hin zu ganz konkreten Zielen wie »Ich möchte eine App entwickeln, die politische Proteste sicherer für alle macht«. Es geht um die eigenen Interessen und das eigene Ziel, auf welches man hinarbeiten möchte.
3. Offene Stellen aufmerksam verfolgen
Es ist nicht nötig, sich permanent zu bewerben. Allerdings kann es helfen zu wissen, welche (neuen) Anforderungen an Menschen im eigenen oder in ähnlichen Fachbereichen gestellt werden. Andere Unternehmen definieren Rollen anders oder haben sie bereits weiterentwickelt, was die konkreten Aufgaben oder den Stellenfokus betrifft. Ein wachsames Auge auf die Anforderungen, die man im Rahmen einer Bewerbung auf eine neue Stelle erfüllen müsste, hilft dabei, die eigene Kompetenz, aber auch den eigenen Marktwert realistisch einzuschätzen. Zum Beispiel sind grundlegende Programmierkenntnisse heute nicht nur für Entwickler interessant, sondern auch für Designer:innen, Ingenieur:innen, Marketing-Expert:innen und Wissenschaftler:innen von großem Vorteil. Bei einer erneuten Bewerbung können solche Zusatzfähigkeiten dann den entscheidenden Ausschlag geben.
4. Kontinuierliche Weiterentwicklung
Ein guter Überblick über die aktuellen Anforderungen eines Berufsfeldes ermöglicht es im Anschluss, konkret zu definieren, welche Dinge neben den eigenen Routine-Tätigkeiten eine Rolle spielen könnten und welche Trends für den eigenen Weg wichtig sind. Weiterbildungen, Bücher oder Blogs, die sich am Puls der Entwicklung einer Branche bewegen, helfen bei der Übersicht. Zum Beispiel gibt es in Deutschland einige interessante Wege, sich neben dem Job oder zwischen zwei Stellen eine Weiterbildung (teil-)finanzieren zu lassen. Kennt man diese, kann man Fortbildungen strategisch einplanen und die eigene berufliche Zukunft auf sichere Füße stellen.
Steht einmal der Plan zum Aufbau der Karriere- Resilienz, sollte auch die Finanzierung gut geplant werden. Glücklicherweise gibt es gleich mehrere Wege, um die gewählten Maßnahmen zumindest teilweise - unter Umständen sogar vollständig - finanzieren zu lassen.
Im Folgenden sind die Wichtigsten erklärt:
- Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit: Jede Person, die in Deutschland registriert und bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos gemeldet ist, hat ein Anrecht auf die vollständige Förderung von zertifizierten Weiterbildungen. Damit lässt sich beispielsweise eine neunwöchige Intensiv-Ausbildung zum/r Entwickler:in unkompliziert finanzieren. Wenn du dich also gerade zwischen zwei Jobs befindest oder eine Auszeit planst, kannst du die Zeit so effektiv nutzen.
- Income Share Agreement: Mit einem Income Share Agreement, dem sogenannten Generationenvertrag, kann man eine Weiterbildung zunächst kostenfrei absolvieren und sich vollständig auf den Kurs und die Jobsuche danach konzentrieren. Bei Antritt der neu gefundenen Stelle zahlt der oder die Alumni die Kurskosten dann Stück für Stück an das weiterbildende Institut zurück. Coding-Camps bieten diese Form der Rückzahlung besonders häufig an, da die Chancen auf einen gut bezahlten Job danach enorm hoch sind und beide Seiten profitieren können.
- Bildungsurlaub: Angestellte eines Unternehmens können einen bezahlten Bildungsurlaub beantragen. Dieser wird unter bestimmten Umständen und für qualifizierte Seminare angeboten. Das Gehalt wird weiterhin ausgezahlt, lediglich die Kurskosten müssen selbst getragen werden. Wenn sich mit Abschluss des Seminars ein deutlicher Mehrwert für die aktuelle Tätigkeit ergibt, sollte es nicht schwer fallen, den Bildungsurlaub vor dem Arbeitgeber zu verargumentieren. Für spätere Gehaltsverhandlungen sind die neuen Kompetenzen ebenfalls ein großer Bonus.
- Steuerliche Absetzbarkeit: Wenn Kurse aus der eigenen Tasche finanziert werden, können die Beträge bei der Einkommenssteuererklärung als Fortbildungskosten geltend gemacht werden. So sind Erstattungen von bis zu 60% des Kurspreises möglich, was sich je nach gewähltem Kurs auf mehrere tausend Euro belaufen kann.
Karriere-Resilienz ist viel mehr als eine Sicherheitsmaßnahme vor einer möglichen Kündigung. Sie verhilft dazu, sich langfristig eine ganzheitlich zufriedenstellende berufliche Karriere aufzubauen, die die persönliche Entwicklung fördert und die eigenen Lebensziele unterstützt. Im Bereich der Erwachsenenbildung gibt es hier inzwischen viele attraktive Angebote mit modernsten Kurskonzepten, die den Wiedereinstieg ins Lernen nicht nur erleichtern, sondern sogar den Spaß an (Weiter-)bildung entfachen.
Rhett Büttrich ist Geschäftsführer von Le Wagon Deutschland. Nach einer Ausbildung in der Finanzbranche absolvierte er zuerst das Coding Bootcamp von Le Wagon als Schüler und blieb seitdem Teil des Teams. Bei Le Wagon führte er zunächst das Bewerbermanagement und die Unternehmensentwicklung, bevor er 2021 die geschäftliche Leitung für den deutschen Markt übernahm. Neben dem Fokus auf der Ausbildung von Entwickler:innen in den Bootcamps widmet er sich auch der Weiterentwicklung des deutschen Weiterbildungmarkts und setzt sich für einen Ausbau der fairen Zugänge in diesen ein.
VERWEISE