Investitionslücke von 26 Milliarden Euro an deutschen Hochschulen
Die deutschen Hochschulleitungen schätzen, 26 Milliarden Euro sind notwendig, um den Nachholbedarf in der Infrastruktur an ihren Einrichtungen zu decken. Weitere aktuelle Herausforderungen sehen sie in der Drittmittelfinanzierung. Die Einnahmen reichen nur selten aus, alle indirekten Projektkosten wie Verwaltung und Infrastrukturnutzung abzudecken. Private Kooperationspartner leisten dabei deutlich höhere Beiträge als öffentliche Drittmittelgeber.
Das sind Ergebnisse des aktuellen Hochschul-Barometers des Stifterverbandes und der Heinz Nixdorf Stiftung.
Mehr als 9.000 Euro pro Studierenden müssten aufgebracht werden, um dem hohen Investitionsbedarf an Hochschulen nachzukommen. Der Investitionsstau umfasst beispielsweise die Sanierung und den Neubau von Gebäuden, den Kauf neuer Lehr- und Forschungsausstattung oder Maßnahmen für eine angemessene IT-Infrastruktur. Der Investitionsbedarf ist an staatlichen Hochschulen fünfmal so hoch wie an privaten Einrichtungen. Bei den Bundesländern haben Berlin und Hessen einen besonderen Nachholbedarf. Hier schätzen die befragten Präsidenten und Rektoren die Investitionslücke ein Drittel höher ein als der Durchschnitt. Allerdings steigt der Indikator, der die Erwartungen zur Ausstattung in fünf Jahren misst. Es gibt also die Hoffnung, dass in Zukunft wieder etwas mehr in die Ausstattung der Hochschulen investiert wird.
Für die Hochschulleitungen nehmen Kooperationen im Hochschul-Alltag einen immer höheren Stellenwert ein. Dabei wird nicht nur die Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft als wichtig angesehen. Auch die Zivilgesellschaft rückt hier stärker in den Fokus. Wissenstransfer entwickelt sich in den Hochschulen neben Lehre und Forschung zur wichtigsten Aufgabe. Die sogenannte dritte Mission stellt die Hochschulen allerdings vor Herausforderungen: Während die direkten Projektkosten mit den dazu eingeworbenen Mitteln finanziert werden können, sagt knapp die Hälfte aller Hochschulleiter, dass die Verwaltungs- und weitere Gemeinkosten nur teilweise abgedeckt werden. Dabei zahlen private Partner aus der Wirtschaft jedoch im Durchschnitt deutlich mehr (bis zu 39 Prozent) als öffentliche Mittelgeber (22 Prozent).
»Hochschulen stehen vor einem Dilemma. Sie sollen kooperieren, doch sie können kaum Vereinbarungen erzielen, die einerseits kostendeckend und andererseits attraktiv für die Partner sind. Das wird zum Wettbewerbsnachteil in einem Innovationssystem, das zunehmend kollaborativ und vernetzt ist«, stellt Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes, zu den Ergebnissen fest.
Insgesamt sehen die Hochschulleitungen die aktuelle Lage und die Entwicklung in den nächsten Jahren recht positiv. Der Gesamt-Index des Hochschul-Barometers ist im Vergleich zum Vorjahr um 0,9 Punkte leicht gefallen und liegt im Jahr 2015 bei 22,9. Dabei sind private Universitäten mit Abstand zufriedener als staatliche Einrichtungen. Große Hochschulen sind optimistischer als kleinere. Auffallend ist dabei, dass die Stimmung in den Universitäten verhalten ist, die durch die aktuelle Exzellenzinitiative gefördert werden.
»Die Spitzenforschung deutscher Hochschulen ist ein wichtiger Innovationsfaktor für den Standort«, sagt Horst Nasko, Vorstand der Heinz Nixdorf Stiftung. »Die Politik muss hier kontinuierlich an der Verbesserung der entsprechenden Rahmenbedingungen arbeiten«.
Sorgenvoll blicken die Hochschulleiter beim Thema Autonomie in die Zukunft. Im Moment nehmen sie ihre Entscheidungsspielräume als noch ausreichend wahr. Doch immer mehr Hochschulleiter glauben, dass die Entscheidungsspielräume ihrer Einrichtung in Zukunft enger werden. Die zukünftige Autonomie ist im entsprechenden Index auf fast null gefallen und ist damit der Indikator, der von den Hochschulleitungen am schlechtesten bewertet wird. Im Jahr 2011 lag der Erwartungsindex beim Thema Autonomie noch bei 22,6.
Hintergrund
Das Hochschul-Barometer ist ein Stimmungsbarometer deutscher Hochschulleitungen. In einer jährlichen, repräsentativen Umfrage wollen der Stifterverband und die Heinz Nixdorf Stiftung von allen Rektoren und Präsidenten der Hochschulen in Deutschland wissen, wie sie ihre momentane Situation und ihre Perspektiven einschätzen. Die Antworten werden auf einer Bewertungsskala von -100 (negativster Wert) bis +100 (positivster Wert) dokumentiert. Erfasst werden rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, Kooperationen und Partnerschaften sowie die Wettbewerbsfähigkeit in Forschung und Lehre. Schwerpunktthemen im aktuellen Hochschul-Barometer waren Zwischen Spitzenforschung und Dritter Mission: Die Rolle der Politik und Studium für Flüchtlinge: Integration durch Hochschulbildung. Diese Ergebnisse wurden bereits im Frühjahr veröffentlicht.