Deutsche sehen wenig Chancen in der Digitalisierung, andere Nationen schon

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Technik Radar 2019

TechnikRadar 2019 zeigt, wie unterschiedlich Europäer*innen den digitalen Wandel bewerten 

Im europäischen Vergleich sind die Deutschen weniger optimistisch, wenn es um die Bewertung der Chancen durch die Digitalisierung geht. Einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft erwarten nur die Hälfte (54 Prozent) der Menschen in Deutschland – in Schweden sind es 76 Prozent und im europäischen Durchschnitt immerhin 64 Prozent. Das zeigt das TechnikRadar 2019, das heute in Berlin vorgestellt wird. Dabei handelt es sich um den Vergleich einer repräsentativen Befragung von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und Körber-Stiftung mit internationalen Studien.

Wenn es einzig um die Auswirkungen auf die Wirtschaft geht, ist Deutschland vergleichsweise zuversichtlich: Mit 82 Prozent erwarten etwas mehr Deutsche als Schweden (79 Prozent) positive Effekte durch Digitalisierung, im europäischen Mittel sind es mit 75 Prozent sogar weniger als hierzulande. Positive Entwicklungen für die Lebensqualität erwarten wiederum weniger Deutsche (63 Prozent) als Europäer insgesamt (67 Prozent).

»In Europa gibt es erhebliche Unterschiede bei der Wahrnehmung und Bewertung des digitalen Wandels. Digitalisierung wird insbesondere dann kritisch erlebt, wenn sie als ein Prozess wahrgenommen wird, dem man sich ausgeliefert fühlt. Menschen, die sich in der Digitalisierung als vergleichsweise kompetent erleben und auf die institutionelle Regulierung vertrauen, sind auch optimistischer bei der Bewertung von Gestaltbarkeit und Chancen«, erklärt Cordula Kropp, wissenschaftliche Projektleiterin und Soziologin vom Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart die Ergebnisse. »Deutschland rangiert in diesem Zusammenhang in der Mitte zwischen skandinavischen und südeuropäischen Ländern«, so Kropp weiter. Das TechnikRadar 2019 zeigt: Dänen, Schweden und Niederländer, die ihre digitale Kompetenz überdurchschnittlich gut bewerten, haben auch überdurchschnittlich positive Erwartungen an die Digitalisierung. Die Deutschen haben nur durchschnittliches Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und auch ihr Optimismus liegt im europäischen Mittelfeld. »Andere Länder in Europa machen uns vor, wie man die Chancen der Digitalisierung ergreift«, kommentiert Lothar Dittmer, Vorsitzender des Vorstands der Körber-Stiftung. »Wir müssen uns in Deutschland in Zukunftsfragen mehr zutrauen, um unseren Wohlstand und unsere Position als weltweit führender Technologie- und Innovationsstandort nicht zu gefährden«, so Dittmer weiter.

Digitale Governance: Unternehmen wird eher Kompetenz zugetraut als der EU

Die Frage, ob Unternehmen, Behörden oder die EU am ehesten in der Lage sind, sich mit den Folgen der neuesten digitalen Technologien zu befassen, wird in Europa unterschiedlich bewertet: 20 Prozent sehen bei Unternehmen die größte Kompetenz, die Governance der Digitalisierung zu übernehmen. Unter den Deutschen wünschen sich sogar 27 Prozent eine Regulierung durch Unternehmen. Am zweithäufigsten von den Europäern genannt werden alle drei Akteure zusammen (19 Prozent), gefolgt von den nationalen Behörden (16 Prozent). Der EU trauen die wenigsten diese Aufgabe zu (13 Prozent).

Alter und Digitalisierung: In Schweden sind Ältere so optimistisch wie Jüngere

In Schweden, wo die Menschen ihre digitalen Kompetenzen hoch einschätzen, haben die über 65-Jährigen ähnlich positive Erwartungen an digitale Technologien wie die Digital Natives unter 35. In Ländern wie Deutschland, die sich nicht als digital fortgeschritten wahrnehmen und in denen sich die Befragten für durchschnittlich kompetent im Umgang mit digitalen Anwendungen halten, sind die Unterschiede größer: Die Generation 65+ hat hier erheblich niedrigere Erwartungen an die neuen Technologien als die Jugend. Interessanterweise ist dies kein Generationen-, sondern ein Alterseffekt. Mit zunehmendem Alter werden Menschen fast überall in Europa skeptischer, der Rückgang wird in der ältesten Altersgruppe besonders deutlich. Hier nimmt der berufsbedingte Druck ab, die digitalen Technologien zu nutzen. »Dennoch beobachten wir, dass die Skepsis gegenüber der digitalen Technik nicht nur insgesamt zurückgeht, sondern dass auch bei den älteren Menschen zunehmend Vertrautheit mit dieser Technik aufkommt«, erklärt Ortwin Renn, acatech Präsidiumsmitglied und wissenschaftlicher Direktor des IASS Potsdam. »Mit zunehmender Vertrautheit wächst auch die Zuversicht, dass wir die Chancen der digitalen Möglichkeiten besser nutzen und die Risiken besser begrenzen können. Ein positiver Effekt, den wir mit dem TechnikRadar als jährliches Monitoring und langfristiges Frühwarnsystem weiter im Auge haben werden«, führt Renn aus.

Roboter in der Pflege: Für die Hälfte der Europäer*innen eine unangenehme Vorstellung

Angenommen, Sie wären alt oder pflegebedürftig. Wie angenehm wäre es für Sie einen Roboter zu haben, der Sie bedient und Ihnen Gesellschaft leistet? Der Hälfte der Europäerinnen und Europäer sagt dieses Szenario nicht zu: 51 Prozent finden die Vorstellung unangenehm, dies ist in Südeuropa besonders ausgeprägt (Griechenland 76, Portugal 71 und Spanien 62 Prozent). Die Zustimmung zu technischen Helfern ist dagegen überdurchschnittlich hoch in Polen (45 Prozent), Tschechien (42 Prozent) und den baltischen Staaten. In Deutschland (27 Prozent) liegen die Bewertungen in der Nähe des europäischen Durchschnitts (26 Prozent).

Online-Zugriff auf Gesundheitsdaten: Deutsche zurückhaltend

In der Frage, ob medizinische Daten für Bürgerinnen und Bürgern online zur Verfügung stehen sollen, ist die europäische Öffentlichkeit gespalten. Eine knappe Mehrheit von 52 Prozent wünscht sich dies, 43 Prozent lehnen es ab. Während sich in Finnland 82 Prozent der Menschen wünschen, auf die eigenen Gesundheitsdaten online zugreifen zu können, wollen das in Deutschland nur 38 Prozent. Beeinflusst wird die persönliche Einschätzung von Alters- und Bildungseffekten: 64 Prozent der unter 40-Jährigen in Europa wünschen sich den persönlichen Online-Zugriff auf die eigenen medizinischen Daten, in der Altersgruppe der über 54-Jährigen sind es nur 38 Prozent. In der niedrigsten Bildungsgruppe sagen dies 27 Prozent, in der höchsten dagegen 66 Prozent.

Hintergrund
Was die Deutschen über Technik denken – das untersucht das TechnikRadar von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und Körber-Stiftung. Erstellt und wissenschaftlich ausgewertet wird es vom Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart. Im TechnikRadar 2019 werden die Befragungsdaten von 2018 mit internationalen Studien zu Einstellungen in verschiedenen Ländern Europas sowie ausgewählten außereuropäischen Ländern verglichen. Vertieft wird auch die Frage, welche Rolle Alter und Geschlecht hierbei spielen. Ein weiteres Thema ist, wie die Deutschen im europäischen Vergleich zu künftigen Anwendungen im Alltag – etwa eHealth, autonomes Fahren oder Pflegeroboter – stehen.

    

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