Report: Mehr Perspektivenvielfalt in den Medien erwünscht

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LIfM

Falschmeldungen auf dem Vormarsch: Bedenken bei Social Media-Nachrichten

Laut dem Reuters Institute Digital News Report 2024 erwarten zwei Drittel (66 %) der erwachsenen Internetnutzer in Deutschland von den Nachrichtenmedien, dass sie verschiedene Perspektiven zu aktuellen Themen bieten. Doch lediglich 43 % der Befragten sind der Meinung, dass diese Erwartung gut erfüllt wird.

Noch schlechter bewerten die Nutzer die Fähigkeit der Nachrichtenmedien, sie optimistischer auf die Welt blicken zu lassen. Allerdings wird dieser Aspekt als weniger wichtig erachtet. Hauptsächlich wünschen sich die Menschen, durch die Nachrichtenmedien über das aktuelle Geschehen informiert zu bleiben und mehr über verschiedene Themen und Ereignisse zu erfahren.

Diese Ergebnisse stammen aus dem Reuters Institute Digital News Report 2024, an dessen deutscher Teilstudie das Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg beteiligt war. Die umfassende Studie basiert auf der Befragung von fast 100.000 Menschen aus 47 Ländern auf sechs Kontinenten. Die Umfrage in Deutschland wurde im Januar 2024 durchgeführt.

Internet überholt Fernsehen als wichtigste Nachrichtenquelle

Die Nutzung digitaler Nachrichtenangebote ist in Deutschland weit verbreitet: 67 % der erwachsenen Internetnutzer informieren sich mindestens einmal pro Woche über Websites oder Apps von Nachrichtenanbietern oder in sozialen Medien.

Dabei dominieren weiterhin traditionelle Anbieter aus Fernsehen, Radio und Printmedien die Online-Nachrichtennutzung: 45 % der Befragten konsumieren regelmäßig Inhalte etablierter Nachrichtenanbieter im Internet; unter den 18- bis 24-Jährigen sind es 47 %.

Soziale Medien sind im Vergleich einzelner Online-Quellen besonders beliebt und erreichen wöchentlich 34 % der Nutzer. Bei den unter 35-Jährigen kommt jede zweite Person über Social Media mit Nachrichteninhalten in Kontakt.

Das Internet hat sich damit nicht nur als eine regelmäßig genutzte Nachrichtenquelle etabliert, sondern stellt auch für die Mehrheit der erwachsenen Online-Bevölkerung in Deutschland die wichtigste Nachrichtenquelle dar. 42 % der Befragten bezeichnen das Internet als ihre Hauptnachrichtenquelle, während linear ausgestrahlte Fernsehsendungen mit 41 % dicht dahinter liegen.

15 % der Befragten erhalten ihre Nachrichten hauptsächlich über soziale Medien. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und erreicht bei den 18- bis 24-Jährigen mit 35 % seinen höchsten Wert. Für 16 % dieser Altersgruppe sind soziale Medien sogar die einzige Nachrichtenquelle.

Wachsende Bedeutung von Online-Nachrichtenvideos

Die Nutzung von Online-Nachrichtenvideos hat stark zugenommen. Plattformen wie WhatsApp, YouTube und Facebook sind im Jahr 2024 die am weitesten verbreiteten sozialen Medien unter der erwachsenen Online-Bevölkerung in Deutschland.

Diese Plattformen werden von vielen Nutzern wöchentlich genutzt, um Nachrichten zu suchen, zu lesen, anzuschauen, zu teilen oder darüber zu diskutieren (WhatsApp: 15 %, YouTube: 21 %, Facebook: 16 %).

Besonders in der jüngsten Altersgruppe (18- bis 24-Jährige) spielen soziale Medien, die einen Fokus auf Bewegtbild haben, eine zentrale Rolle: 27 % dieser Altersgruppe konsumieren regelmäßig Nachrichteninhalte auf Instagram, gefolgt von YouTube mit 24 % und TikTok mit 13 %.

Fast die Hälfte der erwachsenen Internetnutzer in Deutschland (49 %) schaut sich mindestens einmal pro Woche ein kurzes Online-Nachrichtenvideo an. Längere Nachrichtenvideos im Internet werden von etwa einem Drittel (34 %) regelmäßig genutzt.

Für 26 % der Nutzer von Online-Nachrichtenvideos ist die Plattform eines Nachrichtenanbieters der meistverwendete Kanal, um diese Videos anzuschauen. Knapp dahinter folgt YouTube mit 23 %. Die jüngeren Nutzer konsumieren Online-Nachrichtenvideos hauptsächlich auf YouTube, Instagram und TikTok. Die Inhalte der Videos decken eine breite Palette an Themen ab, wobei internationale Nachrichten, Innenpolitik sowie Umwelt- und Klimathemen besonders häufig vertreten sind.

Sorge über Falschmeldungen, insbesondere auf TikTok

Trotz der zunehmenden Nutzung von Nachrichten in sozialen Medien gibt es eine erhebliche Skepsis gegenüber deren Vertrauenswürdigkeit. 41 % der TikTok-Nutzer haben Schwierigkeiten, dort zwischen vertrauenswürdigen und nicht vertrauenswürdigen Nachrichten zu unterscheiden. Auch bei der Plattform X (ehemals Twitter) sind die Bedenken groß.

Weniger Misstrauen äußern die Befragten hinsichtlich der Nachrichten, die sie über WhatsApp oder die Google-Suche erhalten. Insgesamt haben 42 % der erwachsenen Internetnutzer in Deutschland Bedenken, Falschmeldungen von Fakten unterscheiden zu können (2023: 37 %). Etwa ein Viertel (26 %) gab an, mit potenziell falschen oder irreführenden Informationen zu den Themen Migration und Politik in Kontakt gekommen zu sein.

Transparenz und hohe journalistische Standards als Vertrauensfaktoren

43 % der erwachsenen Internetnutzer in Deutschland sind der Ansicht, dass man dem Großteil der Nachrichten in der Regel vertrauen kann. Dieser Wert entspricht dem des Vorjahres und stellt den niedrigsten Wert dar, seit die Frage 2015 erstmals in die Umfrage aufgenommen wurde.

Das Vertrauen in die von den Befragten selbst genutzten Nachrichten liegt bei 53 % und ist ebenfalls stabil geblieben. Besonders hohe Vertrauenswerte genießen die TV-Hauptnachrichten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und regionale bzw. lokale Tageszeitungen.

Erstmals wurde in der Studie untersucht, welche Aspekte das Vertrauen in Nachrichtenmedien beeinflussen. Die Transparenz der Nachrichtenproduktion wurde von 74 % der Befragten als sehr wichtig eingestuft. Ebenso wichtig sind hohe journalistische Standards (72 %), eine (un)voreingenommene Berichterstattung (65 %) und eine faire Repräsentation von »Menschen wie mich« (65 %). Weniger wichtig für das Vertrauen ist die Frage, ob Nachrichtenmedien eine lange Geschichte haben oder ob sie zu negativ berichten.

Skepsis gegenüber KI-generierten Nachrichten

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus wird überwiegend skeptisch betrachtet. Die Hälfte der Internetnutzer in Deutschland fühlt sich bei der Nutzung von Nachrichten, die hauptsächlich durch KI mit etwas menschlicher Aufsicht produziert wurden, unwohl.

Etwas größer ist die Akzeptanz, wenn Nachrichten lediglich mit etwas Hilfe von KI, aber hauptsächlich von menschlichen Journalist*innen erstellt wurden. Etwa ein Drittel (36 %) der Befragten fühlt sich bei der Nutzung solcher Nachrichten wohl. Junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren sind tendenziell offener für KI-generierte Nachrichten, insbesondere in den Bereichen Sport, Wissenschaft und Unterhaltung. Im Kontext politischer Informationen begegnen auch junge Menschen dem Einsatz von KI im Journalismus jedoch überwiegend mit Skepsis.

Zusammenfassung

Die Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Report 2024 verdeutlichen, dass die deutschen Internetnutzer vielfältige Perspektiven in den Nachrichten erwarten und das Internet zunehmend als Hauptnachrichtenquelle nutzen.

Trotz der wachsenden Bedeutung von Online-Nachrichtenvideos und sozialen Medien bleibt das Vertrauen in Nachrichtenmedien niedrig, und es besteht eine erhebliche Skepsis gegenüber KI-generierten Inhalten. Die Nachrichtenmedien stehen vor der Herausforderung, diese Erwartungen zu erfüllen und gleichzeitig das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen.

Informationen zur Studie
Seit 2012 untersucht der Reuters Institute Digital News Survey jährlich über Repräsentativbefragungen in mittlerweile 47 Ländern generelle Trends und nationale Besonderheiten der Nachrichtennutzung. Die Studie wird unter Koordination des in Oxford (UK) ansässigen Reuters Institute for the Study of Journalism zeitgleich in Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Chile, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Hongkong, Indien1[1], Indonesien, Irland, Italien, Japan, Kanada, Kenia1, Kolumbien, Kroatien, Malaysia, Marokko1 (2024 neu hinzugekommen), Mexiko, Niederlande, Nigeria1, Norwegen, Österreich, Peru1, Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Singapur, Slowakei, Spanien, Südafrika1, Südkorea, Taiwan, Thailand1, Tschechien, Türkei, Ungarn und in den USA realisiert. Pro Land wurden 2024 rund 2.000 Personen befragt. Insgesamt basiert die Studie in der zwölften Wiederholung auf den Antworten von fast 100.000 Befragten aus 47 Ländern auf sechs Kontinenten.

Die Feldarbeit in Deutschland wurde zwischen dem 10. und dem 28. Januar 2024 vom Umfrageinstitut YouGov durchgeführt, das auf der Basis von Online-Access-Panels Stichproben zog, die für Internetnutzer:innen der beteiligten Länder ab 18 Jahren repräsentativ sind. Repräsentativ meint, dass die Stichprobe ein strukturgleiches Abbild der internetnutzenden Bevölkerung hinsichtlich der Variablen Alter, Geschlecht, Region und Bildung darstellt bzw. dementsprechend gewichtet wurde. Generell ist bei der Interpretation der Ergebnisse stets zu berücksichtigen, dass es bei der Stichprobenziehung aus Online-Access-Panels zu Resultaten kommen kann, die Aspekte der Internetaffinität und die Nutzung des Social Web etwas überschätzen. Der Standardfehler der angegebenen Werte bewegt sich in der Regel in einem Bereich zwischen einem und drei Prozent.

Hintergrund
Das Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut ist seit 2013 als Kooperationspartner für die deutsche Teilstudie verantwortlich; die Erhebung im Jahr 2024 wurde dabei von den Landesmedienanstalten und dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) unterstützt.


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