Berufserfahrung: Neue Zeugnisse braucht das Land

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Bertelsmann Stiftung 3

Informelles Lernen nimmt stetig an Bedeutung zu. Berufstätige erwerben ihr Fachwissen eher im Job als in organisierten Weiterbildungen   

Schule, Uni, Aus- und Weiterbildung – alles wichtig für Erfolg im Job. Am meisten aber zählt, was man in der Praxis und durch Erfahrung lernt. Learning by doing ist die wichtigste Kompetenzquelle für Berufstätige, sagen übereinstimmend Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Oder, wie es die Studie »Können belegen können – Lernwege, Kompetenzen und Zertifikate aus Sicht von Arbeitgebern und Arbeitnehmern« der Bertelsmann Stiftung ausdrückt: Informelles Lernen lässt in seinem Stellenwert für beruflichen Erfolg die formale und non-formale Bildung deutlich hinter sich. Informelles Lernen ist aber häufig unsichtbar, denn es wird nicht zertifiziert – hierfür braucht es neue, offiziell anerkannte Zeugnisse.

78 Prozent der Personalverantwortlichen in Firmen stufen das Lernen durch Berufserfahrung als sehr wichtig oder wichtig für den Erfolg im Job ein. Über organisierte Weiterbildung (63 Prozent) und das, was Mitarbeiter in Schule oder Hochschule (57 Prozent) gelernt haben, sagen das erheblich weniger Personalverantwortliche. Das Tempo des technologischen Fortschritts und die Verdichtung von Arbeit verstärken die Bedeutung lebenslangen Lernens. Besonders stark gilt das für das informelle Lernen: 56 Prozent der Arbeitgeber und 70 Prozent der Arbeitnehmer sagen, Learning by doing sei während der vergangenen zehn Jahre wichtiger geworden, um im Berufsalltag zu bestehen.

Zwischen Berufsabschluss und ungelernt gibt es ein weites Feld an Kompetenzen

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung: »Die hohe Bedeutung des informellen Lernens ist ein Dilemma. Denn die für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber wichtigste Lernform ist am schwierigsten nachzuweisen. Zwischen einem vollwertigen Berufsabschluss und einer ungelernten Tätigkeit gibt es vielfältige Kompetenzen, die es aufzudecken und anzuerkennen gilt«. Das unterstütze nicht nur Bewerber und Arbeitgeber bei Stellen- und Personalauswahl. Dadurch könnten auch die 5,7 Millionen formal Geringqualifizierten in Deutschland sowie Einwanderer und Flüchtlinge ihre beruflichen Fachkenntnisse besser dokumentieren als bislang. Den zuweilen händeringend nach Fachkräften suchenden Arbeitgebern erschlösse sich so eine neue Gruppe an potenziellen Mitarbeitern mit Fachkenntnissen.

Der Herausforderung, die informell erworbenen Fähigkeiten dennoch sichtbar zu machen, begegnen Bewerber und Personalentscheider unterschiedlich. Arbeitgeber interpretieren Zeugnisse. So bewerten mehr als 60 Prozent der Personalverantwortlichen Examenszeugnisse und Weiterbildungszertifikate als nützlich, um informell erworbene Kompetenzen offen zu legen. Diese Informationen transportieren klassische Zeugnisse aber gar nicht. »Das ist eine Art erfahrungsgestützte Spekulation«, sagte Dräger.

 

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Was ein Mitarbeiter wirklich kann, zeigt sich dann oft erst in der Probezeit. Die bezeichnen 94 Prozent der Arbeitgeber als sehr wichtig oder wichtig für die Personalauswahl. Endet die Probezeit mit einer Trennung, war die Einstellung sowohl für den Arbeitnehmer als auch für das Unternehmen eine Fehlinvestition – die durch geeignete Kompetenznachweise unter Umständen vermeidbar gewesen wäre. Zweites herausragendes Kriterium für die Personalauswahl sind die Auswahlgespräche, die 92 Prozent der Personalverantwortlichen als sehr wichtig oder wichtig einschätzen. Weiterbildungszertifikate sind ebenfalls ein Faktor (63 Prozent), noch vor Hochschul- und Ausbildungszeugnissen. Kaum eine Rolle spielen Profile in den sozialen Medien.

 

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Arbeitnehmer unterschätzen laut Umfrage, welche Aussagekraft Personalverantwortliche den schriftlichen Bewerbungsunterlagen beimessen. Bis es neue Zeugnisse gibt, die informell erworbenen Kompetenzen nachweisen, sollten Bewerber nicht allein auf das Vorstellungsgespräch setzen, um hinzugewonnene Kompetenzen zu transportieren. Diese macht bereits ein gutes Anschreiben deutlich, erst recht aber sollten es die Arbeitszeugnisse tun. Und fachlich passende Weiterbildungen lassen Arbeitgeber offensichtlich zumindest positive Rückschlüsse auf den Lernwillen des Bewerbers ziehen.

Hintergrund
Für die Studie »Können belegen können – Lernwege, Kompetenzen und Zertifikate aus Sicht von Arbeitgebern und Arbeitnehmern« hat das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) gGmbH aus Nürnberg jeweils 1100 Arbeitnehmer und Arbeitgeber befragt. Ergebnis ist eine systematische Übersicht über die tatsächliche Nutzung von Weiterbildungszertifikaten. Im Fokus der Studie steht, inwieweit Weiterbildungszertifikate dazu beitragen, die Kompetenzen von Bewerberinnen und Bewerbern transparent zu machen und in welchem Umfang sie für Personalentscheidungen relevant sind.

 

 

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