Auch die FDP will die Weiterbildung reformieren
Die FDP-Bundestagsfraktion will das System der Weiterbildung reformieren und hat dazu einen Antrag vorgelegt. Weiterbildung werde immer wichtiger. Die Digitalisierung verändere die Arbeits- und Lebenswelt vieler Menschen grundlegend und senkt die Halbwertszeit von Wissen deutlich. Das Erwerbsleben werde individueller, verlange den Menschen mehr Flexibilität ab und sei einer starken Dynamik unterworfen, schreiben die Abgeordneten. In Zukunft werde es immer wichtiger, sich stetig neues Wissen und neue Fertigkeiten anzueignen. Gleichzeitig habe jede und jeder so die Chance, das ganze Leben lang den eigenen Horizont zu erweitern.
Um dieses Ziel zu erreichen, bedürfe es eines neuen Bewusstseins für lebensbegleitendes Lernen und Weiterbildung. Die Politik müsse dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Weiterbildung finde heute zu erheblichen Teilen in Abhängigkeit vom Arbeitgeber statt. Zuletzt habe die Bundesagentur für Arbeit richtigerweise zusätzliche Aufgaben bei der Weiterbildungsförderung Beschäftigter bekommen. Neben diesen zwei Säulen muss nach Ansicht der FDP-Fraktion für ein stimmiges Gesamtkonzept aber die wichtigste dritte Säule treten: Personenbezogene Weiterbildungsmöglichkeiten jedes und jeder Einzelnen. Denn nicht immer würden allein die von Staat und Bundesagentur finanzierten Weiterbildungen ausreichen, zudem würde letztlich jeder Einzelne die individuellen beruflichen und persönlichen Ziele und den dafür vorhandenen Weiterbildungsbedarf am besten kennen.
Öffentliche Bildungseinrichtungen würden sich bisher vor allem an Menschen in der Erstausbildung richten. Zur Stärkung des lebens- und arbeitsbegleitenden Lernens muss nach Ansicht der FDP deshalb ein zweites Bildungssystem geschaffen werden, das Menschen jedes Alters, jeder beruflichen Ausrichtung und jeder Arbeitserfahrung neue Bildungschancen und -möglichkeiten eröffnet. Das große Potenzial und die Erfahrungen der etablierten Bildungseinrichtungen, die notwendig sind, um allen Menschen ein Leben lang einen einfachen Zugang zu Bildung zu ermöglichen, werde dafür noch nicht beziehungsweise nicht ausreichend genutzt.
Ferner monieren die Abgeordneten, dass Weiterbildung oftmals eine große finanzielle Hürde darstelle. Vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen scheitere der Zugang zu Weiterbildung häufig. So würden 23 Prozent der Geringqualifizierten finanzielle Gründe als wichtigstes Hindernis für eine berufliche Weiterbildung nennen. Die bestehenden Fördermaßnahmen seien häufig auf kleine Zielgruppen beschränkt, mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden oder nicht bekannt. Gleichzeitig sei mit dem sogenannten »Flexi-II-Gesetz« eine Möglichkeit geschaffen worden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Überstunden, Boni, ungenutzte Urlaubstage und weitere Zahlungen für ihre individuelle Lebensplanung einzahlen und ansparen können: die Langzeitkonten. Doch die Konten seien nicht weit verbreitet, im Jahr 2016 hätten nur zwei Prozent aller Betriebe diese angeboten und nur zwei Prozent aller Beschäftigten diese genutzt. Die FDP-Fraktion fordert daher, dass die bestehenden Langzeitkonten nach dem Flexi-II-Gesetz zu Freiraumkonten weiterentwickelt werden.
Der derzeitige Weiterbildungsmarkt sei zudem unübersichtlich. Das gelte insbesondere für private Nutzerinnen und Nutzer oder kleine und mittlere Unternehmen, die Weiterbildungsangebote für ihre Beschäftigten suchen. Die Abgeordneten kritisieren, dass es bisher keine bundes- oder europaweite digitale Weiterbildungsplattform gibt, die als erste Anlaufstelle den gesamten Weiterbildungsmarkt umfasst, individuelle Kursempfehlungen ausspricht und die Buchung von Bildungsangeboten unmittelbar mit öffentlichen Fördermöglichkeiten verknüpft.
Zudem macht die FDP-Fraktion darauf aufmerksam, dass der deutsche Arbeitsmarkt großen Wert auf formale Bildungszertifikate lege. Ein stetig wachsendes Angebot an digitalen Bildungs- und Weiterbildungsformaten, wie beispielsweise die sogenannten »MOOCs« (Massive Open Online Courses), würden zeigen, wie groß der Bedarf an diesen zeit- und ortsflexiblen Kursen sei. Insbesondere Module der beruflichen Bildung seien hier jedoch unterrepräsentiert.
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