Bildungsbericht 2022: Fachkräftemangel drängendstes Problem der Frühen Bildung

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Für den Bericht »Bildung in Deutschland 2022« analysiert das DJI die Situation von Früher Bildung, Ganztagsbetreuung und non-formalen Lernwelten neben der Schule

Obwohl in den vergangenen 15 Jahren über 800.000 neue Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen in Deutschland geschaffen wurden, kann der vorhandene Bedarf aktuell immer noch nicht gedeckt werden. Das größte Hemmnis beim Ausbau ist neben den Plätzen das fehlende Fachpersonal, vor allem in Westdeutschland. Dies ist eines der Ergebnisse der Auswertungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) im Rahmen des Berichts »Bildung in Deutschland 2022«.

Dieser Bericht, der zum neunten Mal erscheint, bietet alle zwei Jahre eine systematische Bestandsaufnahme des gesamten deutschen Bildungswesens. Darin fließen Daten der amtlichen Statistik sowie groß angelegter, repräsentativer sozialwissenschaftlicher Surveys ein. Das DJI ist seit Beginn der nationalen Bildungsberichterstattung im Jahr 2006 mit umfangreichen Analysen beteiligt. Der aktuelle Bericht widmet sich im diesjährigen Schwerpunkt der Entwicklung des Bildungspersonals und damit zusammenhängenden aktuellen Herausforderungen. Das DJI verantwortet seit jeher die Themen Frühe Bildung, Ganztagsbildung und -betreuung im Schulalter und non-formale Lernwelten neben der Schule.

Personallücke Mitte des Jahrzehnts am größten

»Der Personalnotstand wird in den kommenden Jahren zu einer Schlüsselfrage der Zukunftsfähigkeit der Frühen Bildung«, betont Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Leiter der Nationalen Bildungsberichterstattung am DJI. »Die größte Lücke zwischen Angebot und Bedarf werden wir voraussichtlich Mitte des Jahrzehnts erreichen«, erläutert der ehemaliger DJI-Direktor. Aktuellen Berechnungen zufolge werden in den Kitas im Jahr 2025 bis zu 73.000 Fachkräfte insbesondere in Westdeutschland fehlen, auch wenn weiterhin eine große Zahl an neuen Fachkräften jährlich auf den Arbeitsmarkt strömt. Aber dennoch wird sich die Kindertagesbetreuung in diesem Jahrzehnt vermutlich einem Ende ihres lang anhaltenden Wachstums nähern. Dies eröffnet die Chance einer neuen Qualitätsoffensive.

Corona-Pandemie hat Bildungsungleichheit in der frühen Kindheit verstärkt

»Ich denke, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Corona-Pandemie Bildungsunterschiede noch verstärkt hat«, erläutert Rauschenbach einen weiteren Befund des aktuellen Berichts. Corona hat dazu geführt, dass für viele Kinder in dieser Zeit Bildungsimpulse und spezifische Förderungen in der Kita sowie die Anregungsqualität durch Gleichaltrige entfallen sind. Zusätzlich haben sich zwischen 2019 und 2021 die Unterschiede in der Unterstützung der Kinder in den Familien vergrößert. Zwar kam es bei vielen Aktivitäten, die Mütter mit ihren Kindern ausübten, in diesem Zeitraum zu einer durchschnittlichen Zunahme, jedoch war die Ausübung von expliziten Bildungsaktivitäten wie Vorlesen noch stärker als bislang vom elterlichen Bildungsstand abhängig. So wurde Kindern von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss im Jahr 2021 mit 19 Tagen im Monat deutlich seltener vorgelesen als bei höheren Abschlüssen; hier lag dieser Wert bei 26 Tagen pro Monat.

Pandemiebedingte Kita-Schließungen treffen besonders Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache

Zusätzliche Nachteile brachten pandemiebedingte Kita-Schließungen für Kinder mit vorwiegend nichtdeutscher Familiensprache mit sich. Etwa jedes fünfte Kita-Kind, im Westen fast jedes vierte, zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt spricht zu Hause überwiegend eine nichtdeutsche Familiensprache. Für diese Kinder sind Kitas der Schlüssel, um die deutsche Sprache im Spiel mit Gleichaltrigen fast nebenher zu erlernen. Aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen der Angebote in den Kitas wurden Bildungsaktivitäten und Möglichkeiten des Spracherwerbs erschwert.

Betreuungs- und Datenlücke im Ganztag

Im Bereich der ganztägigen Bildung und Betreuung von Grundschulkindern zeigen die aktuellsten Daten der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) derzeit eine Lücke zwischen der Beteiligung der Kinder (54 Prozent) und dem Bedarf der Eltern (63 Prozent) von etwa 10 Prozentpunkten. »Unverständlich ist, warum für ganztägige Angebote bislang keinerlei belastbare Daten zum Personal erfasst werden«, bekräftigt Rauschenbach. Aufgrund dessen ist die Anzahl und die Art der Qualifikation der dort Tätigen sowie der Personalschlüssel unbekannt. Nicht systematisch verankert ist zudem das Thema der ganztägigen Bildung und Betreuung im Grundschulalter in den pädagogischen Ausbildungen und Studiengängen. Der Bedarf an Fachkräften für zusätzliche Ganztagsangebote im Grundschulalter kann sich durch den Rechtsanspruch bis zum Schuljahr 2029/30 auf 65.600 Personen belaufen.

 

Über den Nationalen Bildungsbericht
Der Bericht »Bildung in Deutschland« wird von einer unabhängigen Gruppe von Wissenschaftler*innen erstellt, die folgende Einrichtungen vertreten: Das DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (Federführung), das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE), das Deutsche Jugendinstitut, das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen an der Georg-August-Universität sowie die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Die Kultusministerkonferenz und das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördern die Erarbeitung des Berichts.

 

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